Media Markt-Shop: Funktioniert der Multi-Channel-Ansatz?
Februar 15, 2012 •Eike Diestelkamp
Es wurde in den letzten Wochen viel auf dem neuen Online Shop von Media Markt herumgetrampelt. Schlechte Usability, kein SEO, minderwertige Gestaltung; die Liste der erwähnten Mängel ist lang. Dazu addierten sich Server-Probleme beim Start und eine saftige Sicherheitslücke, die es Angreifern erlaubt hätte, die arglosen Kunden mit Schadcode zu infizieren. Manche Blogger halten den Webshop für ein Alibi, unisono wird das Fehlen von Social-Elementen kritisiert. Nicht verwunderlich, bedenkt man aus welcher Ecke die Kritik kommt. Sicher, der Shop ist keine technische Glanzleistung; kein Paradebeispiel für gelungenen eCommerce. Aber das lässt sich noch anpassen und ändern. Aus Sicht von Media Markt und Mutter Metro viel wichtiger: Der Shop erfüllt zumindest theoretisch seinen Zweck als Multichannel-Instrument.
Um sich die Ziele von MediaMarkt für den Online Shop ungefähr vorstellen zu können, muss man sich die Struktur der Kette vor Augen führen. Jeder der etwa 600 Stores in Europa ist eigenständig. Jeder hat seinen eigenen Geschäftsführer mit selbstverständlich eigenen Interessen und Vorstellungen. Nur ein begrenztes Sortiment ist durch die regelmäßigen nationalen Werbeaktionen vorgeschrieben. Ein Online Shop auf dieser Basis kann nicht einfach Online Shop sein, es muss ein Instrument im Orchester Multichannel werden.
Multichannel für Consumer Electronics?
Funktionierende Beispiele für Multichannel-Ansatz sind selten. Banken werden häufig aufgeführt. Die Online-Sparte stützt die Filialen und andersherum. Die Personalkosten in den Filialen sinken, die Beratungsleistung steigt. Im Bereich der Consumer Electronics fährt Euronics schon länger einen Multichannel-Ansatz. Laut Euronics-Chef Kober auch erfolgreich.
Das Grundproblem fast aller Multichannel-Konzepte ist jedoch die Kannibalisierung. Sobald Filialen untereinander und mit anderen Vertriebswegen konkurrieren, ist Ungemach vorprogrammiert. Durch die Struktur des Elektro-Riesen ist ein Online Shop in den Augen der Geschäftsführer vor allem eine Bedrohung: Jeder Euro, der statt in der eigenen Filiale im Shop umgesetzt wird, ist ein verlorener Euro.
Natürlich ist den Marktleitern dennoch klar, dass sie Amazon und Konsorten nicht kampflos das Feld „Internet“ überlassen dürfen. Denn jeder Euro, der beim Wettbewerb umgesetzt wird, ist ein doppelt verlorener Euro. Dieses Wissen und sicher einige Versprechen an die Marktleiter sind nötig gewesen, um sie zu einem zweiten Versuch – Media Markts erster Online Shop wurde 2007 geschlossen – zu überreden.
„Es wird keine Kannibalisierung geben“
So oder so ähnlich wird das Hauptversprechen der Konzernleitung geklungen haben. Doch wie versucht Media Markt das zu erreichen? Zum einen setzt der Konzern auf gleichbleibende Preise. Abgesehen von Sonderangeboten und Aktionen kostet jedes Produkt überall das Gleiche. Die Marktleiter werden sogar einen höheren Preis für die Produkte im Shop gefordert haben, was die Konzernspitze mit einem kleinen Trick realisiert hat. Jede Bestellung im Online Shop kostet 4,99 Euro Versandgebühr. Hier muss sicher noch abgewartet werden, wie sich diese Maßnahme auch bei anderen Shops entwickeln wird. Esprit erhebt beispielsweise inzwischen eine ähnliche Gebühr (0,95 EUR pro Bestellung).
In Zeiten von kostenlosem Hin- und Rückversand als Standard im eCommerce ist das natürlich eine versteckte Strafzahlung für Online Shopping. Es ist gleichzeitig aber auch ein Anreiz für den Kunden einen Markt zu besuchen. Denn im Shop wird versucht, dem Kunden die Selbstabholung schmackhaft zu machen. Bestellen im Internet, Abholen im Markt. Das Fehlen von Cross- und Up-Selling im Online Shop wurde vielfach kritisiert, dürfte aber Absicht sein. Denn wo der Kunde schon mal im Markt ist und seinen LED-TV abholt, ist er sicher empfangsbereit für Angebote. Kabel, Festplattenrecorder, Heimkino-Soundanlage – hier liegt der Multichannel-Schatz für den einzelnen Marktleiter begraben.
Der ROPOff-Kunde sucht vergebens
Möchte man Media Markt in Sachen Online-Strategie unbedingt etwas vorwerfen, dann böte sich das Ignorieren des ROPOff-Kunden an. ROPOff steht für Research Online, Purchase Offline. Kunden recherchieren online und treffen eine Kaufentscheidung, den eigentlichen Kauf erledigen sie aber offline. Wie diverse Studien von Google (das Unternehmen hat die Abkürzung auch erfunden) belegen, ist der Anteil der ROPOs an den Gesamtkäufen immens. Die Ergebnisse sind natürlich etwas mit Vorsicht zu genießen, schließlich hat Google ein großes Interesse daran, die Wirkung von „Online“ auf „Offline“ in den Vordergrund zu schieben. Dennoch sollte klar sein, dass ROPOff in der Media Markt-Branche auf den Löwenanteil der Käufer zutrifft. Media Markt hingegen geht von einem Kunden aus, der gerne offline beraten werden möchte – an der Hotline oder in der Filiale. Für den ROPOff-Kunden ist der Online Shop von Media Markt wenig hilfreich; der Vergleich von Produkten ist schwierig und findet im Shop quasi nicht statt.
Auch die sehr begrenzte Produktzahl im Online Shop schlägt in diese Kerbe. Für viele Produkte muss der Kunde nach wie vor den Markt aufsuchen. Dennoch sollte die Leistung von Media Markt hier nicht unterschätzt werden – die 2.500 Produkte, die im Shop angeboten werden, müssen immer auch in jeder deutschen Filiale vorrätig sein, eine große logistische Herausforderung. Ist der Shop-Kunde in der Filiale, dann hat Media Markt sein Ziel erreicht; Über Service-Leistungen und Kundenbindung kann dann jeder Marktleiter sein Möglichstes tun, um die zusätzlichen Potentiale, die die Online-Käufe ihm bieten, auszuschöpfen – und den Multichannel-Ansatz funktionieren zu lassen.
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